Kopenhagen: Die Stadt der Zukunft?

Kopenhagen: Die Stadt der Zukunft?

Im Sommer war ich einige Tage in Kopenhagen. Was für eine tolle Stadt! Kopenhagen wird oft als Zukunftsstadt bezeichnet, weil sie bis 2025 die erste klimaneutrale Stadt der Welt sein möchte UND dieses Ziel voraussichtlich auch erreichen wird. Deswegen hab ich mal näher hingeschaut: Ist Kopenhagen eine utopische Stadt? Meiner Meinung nach, ja, aber nicht (nur) wegen der Klimaschutzmaßnahmen.

Klimaneutralität bis 2025

Schon 2009 hat die Stadt Kopenhagen ihr Ziel bekanntgegeben, bis 2025 klimaneutral sein zu wollen. In Folge dessen wurde die Stadtplanung konsequent auf dieses Ziel ausgerichtet und die Stadt wurde Stück für Stück grüner, digitaler und emissionsarmer:

  • Ausbau der Erneuerbaren Energien. Im Osten der Stadt wurde das modernste Müllheizkraftwerk der Welt gebaut, das 100.000 Haushalte mit Wärme und Strom versorgt. Dieses Müllheizkraftwerk hat sogar einen eigenen Namen (Copenhill) und ist kontinuierliche Anlaufstelle von Einheimischen und Touristen (warum das so ist, erzähle ich dir später).
  • Klimafreundliche Mobilität durch den Ausbau von Fahrradwegen, den Abbau von Parkplätzen, den Bau eines Metro-Rings. “Während Elektroautos kostenlos in der Stadt parken, fallen für Benzin- und Dieselautos hohe Parkgebühren an, die wiederum in klimafreundlichere Infrastruktur wie Rad- und Fußwege sowie Grünflächen reinvestiert werden.” („Klimaneutral bis 2025 – was die Welt von Kopenhagen lernen kann.“)
  • Begleitend wurde Kopenhagen zu einer Schwammstadt umgestaltet, um die Bewohner*innen bei Starkregen vor Überflutungen zu schützen. Hierfür wurden unterirdische Kavernen und oberirdische Grünflächen angelegt. Außerdem fungiert ein tiefer gelegener Park als Rückhaltebecken für 23 Millionen(!) Liter Regen. An allen übrigen Tagen kann das Bassin als Hockeyplatz genutzt werden. („Die ganze Stadt schwimmt.“)

Einen guten Einblick in den Nachhaltigkeits-Spirit von Kopenhagen bekommst du auch in diesem 3-minütigen Ausschnitt aus der Amazon-Serie von Joko Winterscheidt: The World’s most dangerous Show.

Meine Meinung: Viele der oben erwähnten Maßnahmen nimmt man auch mit einem kurzen Besuch in Kopenhagen wahr: Die Fahrradbrücken und -wege, das Müllheizkraftwerk und viele Grünflächen. Ich war dennoch überrascht vom Autoverkehr rund um die Innenstadt. Beim genaueren Hinsehen fiel auf, dass etliche ausländische Autos und Reisebusse unterwegs waren. Sofern die Kopenhagener sich also bereits auf Autoalternativen umgestellt haben, trägt der Tourismus vermutlich einen erheblichen Teil dazu bei, dass zweispurige Straßen im Innenstadtbereich stark befahren sind. 

Stadtplanung konsequent ausrichten

Möglich sind die vielen klimaschützenden Veränderungen, weil die Stadtplanung konsequent die Nachhaltigkeitsziele verfolgt. Begonnen hat diese Veränderungen bereits vor Jahrzehnten der dänische Architekt Jan Gehl, mittlerweile ist Camilla van Deurs die leitende Stadtplanerin und “Chefstrategin des Wandels” in Kopenhagen.

“Architektur ist nicht das Ziel. Architektur schafft nur die Bühne, in der sich das Leben abspielt.”

(Camilla van Deurs im ZDF-Beitrag)

Es funktioniert also mit der Klimaneutralität, wenn Verantwortliche für Städte und Stadtplanung diesen Gedanken konsequent verfolgen. Allein das ist ein tolles Vorbild für zukunftsfähige Städte. Was Kopenhagen aus meiner Sicht aber wirklich besonders macht, ist die Herangehensweise an diese Projekte.

Eine Person springt von einem Sprungtum in den Ostseekanal in Kopenhagen.
(Eine Person springt von einem Sprungtum am Hafenbad Islands Brygge in Kopenhagen ins Wasser.)

Das Konzept der Hedonistischen Nachhaltigkeit

Ein weiteres beeindruckendes Projekt in Kopenhagen ist die Nutzung des Wassers. In wenigen Jahren wurde der Ostseekanal der durch die Stadt verläuft so gründlich und nachhaltig gesäubert, dass es mittlerweile entlang der Stadt zahlreiche Badestellen gibt. Heißt konkret: Menschen lernen in der Bibliothek, gehen in der Mittagspause raus, springen kurz ins (ziemlich kalte) Wasser des Kanals, lassen sich auf den Holzdecks trocknen und gehen dann zurück zu ihren Büchern. Die Kopenhagener haben damit ein riesiges Stück Lebensqualität gewonnen. 

Was ist daran so toll finde ist die umgekehrte Zweck-Mittel-Argumentation: Die Reinigung des Wassers ist hierbei Mittel zum Zweck und der Zweck ist das Wohlbefinden der Menschen. 

Ein weiterer Stararchitekt aus Kopenhagen, Bjarke Ingels, nennt diese Herangehensweite “Hedonistische Nachhaltigkeit”, das heißt, “dass eine nachhaltige Stadt nicht nur besser für die Umwelt ist – sie ist auch angenehmer für das Leben ihrer Bürger.” Besagter Bjarke Ingles hat neben den Badestellen auch das bereits erwähnte Müllheizkraftwerk Copenhill entworfen. Es arbeitet so sauber, dass es als Sportzentrum und Ausflugsziel genutzt wird: Mit der höchsten Kletterwand der Welt, Wanderweg, Skipiste und Cafe auf dem Dach ist es Teil des Freizeitlebens in Kopenhagen.

Ebenfalls in diesem Sommer gab es einen interessanten Pilotversuch in Kopenhagen: Mit der Aktion Copenpay will die Stadt die negativen Auswirkungen des Tourismus abmildern. Für umweltfreundliche Handlungen konnten Menschen vergünstigt an kulturellen Events teilnehmen, einen Gratiskaffee erhalten etc. Während meines Aufenthalts in der Stadt war ich an einer Beachbar, an der man sogenannte “Greenkayaks” ausleihen konnte. Die Ausleihe dort ist kostenlos, wenn man sich im Gegenzug verpflichtet, bei seinem Ausflug Müll im Kanal aufzusammeln. Auf einer Tafel am Eingang ist dann die gesammelte Menge Müll angeschrieben – Nudging at it’s best. Wo andernorts einfach Gebühren für Tagestouristen erhoben werden, denkt die Stadt Kopenhagen wieder anders: Wie können wir für die Menschen und mit den Menschen das Beste aus der Situation machen?

Blick vom Hafenkanal auf den Stadtteil Christianshavn. Links ist das Müllheizkraftwerk "Copenhill" zu sehen.
(Blick vom Hafenkanal auf den Stadtteil Christianshavn. Links ist das Müllheizkraftwerk „Copenhill“ zu sehen.)

Die wahre Superkraft von Kopenhagen

Insgesamt finde ich, dass die Stadt Kopenhagen eine wahre Inspiration in Sachen Stadtplanung sein kann: Konsequente Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie plus Fokus auf die Menschen in der Stadt. Oder wie Jan Gehl es beschrieben hat: “Meine Kernbotschaft, ‘gute Orte für Menschen zu schaffen’ ist von Natur aus nachhaltig.”

Wenn wir die Städte konsequent von den Menschen und ihren Bedürfnissen her denken, ergeben sich nachhaltige, umweltschonende Stadtentwicklungsmaßnahmen eigentlich wie von selbst. Dieses Konzept der Hedonistischen Nachhaltigkeit scheint mir ein guter Weg für die Städte der Zukunft zu sein. Man muss sich nur trauen. 

Was denkst du?

Hat Kopenhagen das Zeug zur Zukunftsstadt?

Was wäre notwendig, um den Gedanken der hedonistischen Nachhaltigkeit auch in Deutschland umzusetzen?

Kennst du andere Beispiele für dieses Konzept?

Teile deine Gedanken gerne hier in den Kommentaren.


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