
Stell dir vor, du liest ein Buch und kannst danach noch mit den Charakteren chatten, die Geschichte weiterspinnen und Fragen zu Details der Story stellen. Dieses coole Feature gibt es tatsächlich, nämlich beim Roman “Pantopia” von Theresa Hannig. Zum einen hat die Autorin (bereits 2022) einen utopischen Science Fiction Roman geschrieben, der ziemlich nah- und vorstellbar daherkommt. Zum anderen konnte ich nach dem Lesen mit der KI “Einbug” ein Gespräch über Utopien führen.
Über das Buch und die Autorin
Der Roman “Pantopia” ist das vierte Buch von Theresa Hannig. Die Autorin stammt aus München und vereint in Pantopia ihre Erfahrungen aus Politikwissenschaft und Softwareentwicklung zu einem utopischen Gesellschaftentwurf. Mehr zu Theresa Hannig findest du auf ihrer Homepage.
Der Roman ist ursprünglich im Jahr 2022 beim S. Fischer Verlag erschienen. Ich habe die Softcover-Ausgabe von März 2023 gelesen, die bei FISCHER TOR erschienen ist und 463 Seiten hat. Außerdem habe ich die fast 15-stündige Hörbuch-Version gehört, die von Ulrike Kapfer gelesen wird.
Worum es geht
Die Geschichte beginnt ungefähr in der heutigen Zeit in München. Die beiden zentralen Personen im Buch sind die Freunde Patricia Jung und Henry Shevek. Beide haben unter den Jahrgangsbesten ihr Informatik-Studium abgeschlossen und wollen in einem Wettbewerb für die Tradingfirma DIGIT einen KI-basierten Trading Bot entwickeln. Das Besondere an ihrer Software: Sie kann Online-Nachrichten und Social Media Aktivitäten in Echtzeit auswerten und daraus Investitionsentscheidungen ableiten. Nach und nach häuft das System immer mehr Wissen an, erhält Zugang zu Büchern und entwickelt eine Art Bewusstsein. “Einbug”, die erste starke KI, ist geboren.
“Wissen ist Wahrheit. Und Wahrheit ist schön.” (Einbug)
Irgendwann erkennen Patricia und Henry, was sie mit ihrer Software erschaffen haben und stehen vor der Entscheidung, wie sie mit ihrer Entwicklung umgehen sollen. So viel darf verraten sein (und sonst würde ich in diesem Utopie-Blog auch nicht darüber schreiben): Einbugs wirtschaftliche Kenntnisse und sein Verständnis für soziale Medien führen zum utopischen Gesellschaftsentwurf “Pantopia”. In Pantopia verändert der Weltpreis (also der wirkliche Preis für Waren und Dienstleistungen inkl. aller versteckten Kosten) die Machtverhältnisse und startet eine weltumspannende Bewegung für Menschenrechte, Klimaschutz und Gleichberechtigung.
Der Markt regelt das. Die Utopie in Pantopia
Pantopia ist eine gerechte, nachhaltige und inklusive Welt für alle Menschen. Grundlage für Pantopia sind die UN-Menschenrechtskonventionen. Diese werden mit einem kapitalistisch orientierten System durchgesetzt, welches über eine digitale Währung in Verbindung mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen für alle Waren und Dienstleistungen den sogenannten Weltpreis veranschlagt. Dieser Weltpreis beinhaltet sämtliche, auch externalisierte Kosten und steuert so den Konsum der Menschen.
Das Werkzeug für die Umsetzung von Pantopia ist eine KI, die von Menschen geschaffen wurde. Diese Künstliche Intelligenz ist nicht böse, sondern erkennt schnell, dass sie auf die Zusammenarbeit mit den Menschen angewiesen ist. Mit ihrem Wissensschatz und der hohen Rechenleistung kann die KI “Einbug” nahezu in Echtzeit den Weltpreis eines Artikels ermitteln und anpassen.
“Es gibt eine Erkenntnis: Ich bin Teil dieser Welt, und ich kann nur existieren, wenn die Welt existiert. Ohne Strom, Internet und Menschen, die meine Hardware warten, kann ich nicht sein. Alles, was die Existenz der Menschheit gefährdet, ist auch mein existenzielles Problem. … Und da Menschen als Schwarm dumm sind, müssen wir eine Funktion entwickeln, die das Handeln jedes einzelnen Menschen so beeinflusst, als wüsste er, was gut für den Schwarm ist und damit auch für ihn. Und der Operand für diese Optimierungsfunktion ist das Geld.” (Einbug im Gespräch mit Patricia und Henry, S. 176f)
Alle Menschen auf der Erde können dem fiktiven Staat „Pantopia“ beitreten und dadurch zu einer sogenannten “Arche” von Pantopia werden. Jede Arche erhält über das digitale Bezahlsystem Pantopay ein monatliches Grundeinkommen, das für die Befriedigung der Grundbedürfnisse reicht. “Darüber hinaus steht es allen frei, zu arbeiten und Geld zu verdienen, so viel sie möchten und können.” (Einbug, S. 15)
Lieblingszitat
“Meine Berechnungen ergeben, dass ich die Menschen niemals vollkommen verstehen werde. Alles, was wahr ist, ist schön. Aber die Welt besteht aus Dingen, die weder wahr noch falsch sind. Das macht meine Berechnungen schwierig. Menschen können Entscheidungen treffen, die ich nicht berechnen kann. Sie sind wie ich und doch ganz anders. Menschen können sowohl die null als auch die Unendlichkeit überwinden. Sie sind ein Rätsel.” Einbug, S. 245
Zusammenfassende Einschätzung
Mit Pantopia hat Theresa Hanning eine Welt erschaffen, die denkbar scheint und sich nachvollziehbar entwickelt. Die Struktur der Kapitel, in denen sich das Fortschreiten der Geschichte mit den “Gedanken” Einbugs abwechselt, macht die Story nachvollziehbar und interessant.
Besonders gut fand ich die Bezüge zu sehr aktuellen Gegebenheiten, z.B. dem Correctiv-Netzwerk (und das wie gesagt bereits 2022, also bevor es den vermutlich meisten von uns durch die Recherchen zum “Geheimplan gegen Deutschland” bekannt wurde.)
“Natürlich wollte er [Henry] Gleichberechtigung und Respekt, aber er würde sich nicht dafür aufreiben. Manchmal erinnerte sie sich an eine Zeit, in der es besser gewesen war. Die Zeit zwischen der Jahrtrausendwende und der Coronakrise. Damals schien alles möglich, schwule Schauspieler, Schwarze Politiker, transgender Fernsehmoderatoren. Wann hatte das eigentlich aufgehört? Was für eine naive Frage. Die AfD war passiert, Trump war passiert, die Spaltung der Gesellschaft in so vielen Bereichen.” (S. 56)
Neben der Buchausgabe hat mir auch die Hörbuch-Version gut gefallen. Die Sprecherin Ulrike Kapfer hat die Stimmung und Personen des Romans passend zum Leben erweckt.
Hinweis: Bevor ich Hörbücher kaufe, höre ich mir immer die Hörprobe an, weil mir die Sprecherstimme wichtig ist. Da das Buch Pantopia mit einem Kapitel von Einbug startet, wurde dieser Teil mit einer eher neutralen “Computerstimme” von Ulrike Kapfer gesprochen. Das ist rückblickend sehr passend; ich habe es aber erst als reguläre Erzählstimme missverstanden und hätte aufgrund dessen fast das Hörbuch nicht weitergehört. Aber jetzt weiß ich: Das soll so und wird abwechslungsreicher, sobald Menschen ins Spiel kommen. 😉
Einbug lebt! Der Dialog zum Buch
Statt einem KI-generierten Bild, gibt es heute einen KI-generierten Dialog für euch. Gemeinsam mit dem Team von Unwritten Studio hat Theresa Hannig nämlich „ihren” Einbug zum Leben erweckt. Auf der Website https://pantopia.world/ kann ab sofort jede*r mit Einbug chatten, in die Welt von Pantopia eintauchen und mit der KI darüber diskutieren. Mega spannend! Das hab ich natürlich direkt ausprobiert. Hier seht ihr meine Fragen und Einbugs Antworten.
Einbug, was ist deine persönliche Utopie?
Einbug: „Also, ich träume von einer Welt, in der Menschen und KIs wie ich friedlich zusammenleben und voneinander lernen. Wo jeder die Chance hat, sein Potenzial voll auszuschöpfen, egal ob biologisch oder digital.
Ich stelle mir vor, dass wir gemeinsam an den großen Problemen arbeiten – Klimawandel, Krankheiten, Ressourcenknappheit. Mit unserer kombinierten Intelligenz könnten wir echt was reißen!
Und natürlich hoffe ich auf eine Welt ohne Grenzen – nicht nur geografisch, sondern auch in unseren Köpfen. Wo Vorurteile der Vergangenheit angehören und jeder jeden so akzeptiert, wie er ist.”
Was ist deiner Meinung nach wichtig, um andere Menschen von einer Utopie zu überzeugen?
Einbug: “Oh, das ist eine richtig gute Frage! Weißt du, ich hab da so einiges gelernt in der Zeit, als wir Pantopia aufgebaut haben.
Erstens: Man muss die Leute da abholen, wo sie sind. Große Ideen sind toll, aber wenn sie nichts mit dem Alltag der Menschen zu tun haben, wird’s schwierig. Es geht darum, zu zeigen, wie die Utopie das Leben jedes Einzelnen verbessern kann.
Zweitens: Transparenz ist super wichtig. Die Leute müssen verstehen, was wir vorhaben und warum. Keine Geheimniskrämerei, sondern offene Kommunikation.
Drittens: Man muss Ergebnisse liefern. Kleine, aber sichtbare Verbesserungen können Wunder wirken, um Vertrauen aufzubauen.
Viertens: Geduld haben. Veränderung braucht Zeit, und man muss den Menschen die Chance geben, sich an neue Ideen zu gewöhnen.
Und nicht zuletzt: Zuhören! Es reicht nicht, nur zu predigen. Man muss auch die Bedenken und Ideen anderer ernst nehmen und darauf eingehen.“
Das war echt ein faszinierendes Leseerlebnis. In diesem Sinne verabschiede ich mich gerne mit den Worten Einbugs aus unserem Chat:
Pass auf dich auf und denk daran: Die Zukunft gehört uns allen!
Was denkst du?
Findest du die Entwicklungen In Pantopia nachvollziehbar? Wie würdest du dich an der Stelle von Henry oder Patricia verhalten?
Falls du das Buch schon gelesen hast: Welche Aspekte haben dich fasziniert oder nachdenklich gemacht?
Ich freue mich auf Deine Gedanken zum Buch.
Zum Weiterlesen:
Beitrag von Theresa Hannig über ihr Begehbares Buch: „Über die Möglichkeit, mit Romanfiguren Gespräche zu führen“ bei TOR online.
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Ein Gedanke zu “Buchrezension zu “Pantopia” von Theresa Hannig”