Zukünfte der Stadt. Interview mit Sarah Bollmann von Open Innovation City Bielefeld

Zukünfte der Stadt. Interview mit Sarah Bollmann von Open Innovation City Bielefeld

Wie können Städte mit dem wirtschaftlichen Konzept der „Open Innovation“ die Zukunft gestalten? Und was hat eine umgewehte Mülltonne damit zu tun?

Darüber habe ich mit Sarah Bollmann gesprochen. Sie ist Projektmanagerin bei der Stadt Bielefeld und arbeitet im Projekt “Open Innovation City”. Ihr Ziel: Die Stadt Bielefeld auch in Zukunft zu einem lebenswerten Ort zu machen.

Hallo Sarah. Bitte stell’ dich den Leser*innen kurz selbst vor.

Gerne. Ich bin Sarah Bollmann und arbeite bei Open Innovation City (OIC) – Eine Initiative der Stadt Bielefeld. Dort organisiere ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen Formate für die Stadtgesellschaft, mit dem Ziel, Austausch und Vernetzung zu ermöglichen und Innovationen in unserer Stadt wahrscheinlicher zu machen. 

Vom Titel her bin ich Projektmanagerin, ein bisschen in Ermangelung eines besseren Begriffs. Innovationen lassen sich schließlich schlecht managen, ich kann eher Rahmenbedingungen schaffen, Menschen zusammenbringen und ein Ökosystem pflegen. 

Open Innovation City – was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Offene Innovation ist ein Konzept aus der Wirtschaft und beschreibt die Tatsache, dass man seine Organisation öffnet und Wissen von außen für den Innovationsprozess einlädt. Die Frage dahinter ist: Haben wir das beste Wissen, um eine Innovation zu ermöglichen? Denn die Ergebnisse werden kreativer und resilienter, je verschiedenartiger die Menschen sind, die sich Innovationen überlegen. Wir denken die Stadt als ein Ökosystem, in dem viele Expert*innen zusammenkommen – Verwaltung, Unternehmen, wissenschaftliche Institutionen, die Zivilgesellschaft. OIC ist vor sechs Jahren als ein Projekt neuartig entstanden. Die Projektpartner waren vier engagierte Akteure aus Bielefeld (Founders Foundation, Pioneers Club, FHM, OWL Maschinenbau), die das Prinzip der offenen Innovation auf Städte anwenden wollten. Darum wurde Bielefeld von 2019 bis 2023 zur Pilotstadt und das vom Land NRW geförderte Projekt umgesetzt. Am Ende standen spannende Erkenntnisse zu Governance, Partizipation, Ökologie, Zusammenarbeit, uvm. Das Projekt ist mittlerweile verstetigt worden und das Konzept der Open Innovation City kann von anderen Städten übernommen werden.

Wie identifiziert ihr die Projekte, den Fokus und die Menschen, rund um die Innovation stattfinden soll?

Grundsätzlich orientieren wir uns für alle Projekte an einem Framework aus Handlungsfeldern, wie Zusammen Leben & Arbeiten, Daten & Technologien. Diese funktionieren für uns als Zielbild aus Themen, um eine ganzheitliche Betrachtung der Stadt sicherzustellen.

Die Themen für unsere Innovationsprojekte, ergeben sich dann teilweise aus den Formaten selbst heraus, wie bei unseren Innovationszirkeln, zum Beispiel zum Thema Digitale Teilhabe. Manchmal kommen Bedarfe auch direkt zu uns, weil wir mittlerweile in die Stadtverwaltung integriert sind und einen guten Kontakt in viele städtische Bereiche haben, in denen wir proaktiv Einladungen aussprechen können, zwischen Ansprechpersonen vermitteln oder Kontakte zu Initiativen herstellen können. 

Ganz praktisch sind wir Montag bis Freitag im Innovation Office in der Bielefelder Altstadt anzutreffen, da können Interessierte gerne einfach vorbeikommen. Falls wir nicht gerade in Sachen Innovationen in der Stadt unterwegs sind, öffnen wir gerne – einfach klingeln. Ansonsten kann man einfach einen Termin für einen Austausch mit uns vereinbaren, die Kontaktinfos zu mir und meinen Kolleg*innen befinden sich auf der Website

Sarah Bollmann, OIC Bielefeld

Meiner Erfahrung nach ist ein Aktivitätsniveau schnell hoch, wenn eine persönliche negative Betroffenheit gegeben ist. Plakatives Beispiel ist die Autobahn, die direkt vor meiner Haustür gebaut werden soll. Wie gelingt es euch, Menschen zu aktivieren, nicht um einen offensichtlichen Missstand zu beheben, sondern um sich für eine bessere Zukunft ihrer Stadt zu engagieren?

Betroffenheit mobilisiert Menschen leicht, wir versuchen aber von Visionen auszugehen und einen ersten positiven Schritt in deren Richtung zu denken. Also immer mitzudenken, was  heute schon gut ist.

Am Beispiel digitale Teilhabe: Es gibt schon viele tolle Angebote in der gesamten Stadt. In unserer Vision hat jede*r Bielefelder*in Zugang zu allen Informationen, die er oder sie für die digitale Teilhabe braucht. Diese Vision ist etwas sehr riesiges und wir nehmen wahr, dass wir auf dem Weg dorthin Hürden haben, weil viele Menschen von den guten Beratungs- und Unterstützungsangeboten rund um digitale Themen nichts wissen. Wir fragen uns dann, wie kriegen wir diese Hürde zusammen mit Akteuren der Stadtgesellschaft und engagierten Menschen konkret beseitigt? Welche innovativen Lösungsansätze gibt es? Wir geben uns Mühe, das zu betonen, was wir schon haben und gemeinsam zu entwickeln, welchen Schritt näher an die große Vision wir als nächstes gehen können. Wichtig ist, wegzukommen von der Problemorientierung, hin zur Lösungsorientierung, dem Positivbild und den Handlungsmöglichkeiten der Einzelnen.

Bielefeld ist mit dem Konzept “Open Innovation City” deutschlandweit Vorreiter. Machen andere Städte das mittlerweile auch?

Ja! Ich finde es total toll, dass Münster jetzt auch eine Open Innovation City werden will. Die OIC-Marke, also das Logo, Design usw. läuft als “CC by”-Lizenz, kann also von anderen Städten verwendet werden. 

Daneben muss man aber auch sagen, dass dank meiner Kollegin Maria schon jetzt tolle Innovationspartnerschaften mit anderen Städten bestehen, zum Beispiel nach Linz in Österreich oder nach Tampere in Finnland. Die Idee ist, auch über Grenzen hinweg von erfolgreichen Städtekonzepten zu lernen, auch wenn sie eigene Titel ihrer Stadtentwicklungsinitiativen  tragen.

Lass uns gerne einmal weg von Bielefeld und hin zu dir schauen. In deinem Linkedin-Profil steht der Spruch: “Ich arbeite daran, dass meine Stadt auch in Zukunft ein lebenswerter Ort ist.” Was macht einen lebenswerten Ort deiner Meinung nach aus?

Für mich persönlich ist das eine intakte Gesellschaft, also dass die Menschen an diesem Ort friedlich und jede*r auf seine*ihre Art und Weise miteinander leben können – bestenfalls glücklich. Das ist mir deshalb so wichtig, weil vieles global betrachtet zur Zeit oft in extreme Lager auseinanderbricht. Ein lebenswerter Ort ist für mich, wenn wir es schaffen, in unserer Unterschiedlichkeit eine Gemeinschaft zu bleiben. Für mich persönlich ist das auch stark verknüpft mit  den umweltlichen Herausforderungen, die wir haben. Städte haben räumlich eine Knappheit, durch die Klimakrise heizt sich unser Lebensraum auf. Da ist es mir wichtig, zu überlegen, wo wir Technologien einsetzen können oder andere innovative Lösungen finden, um unseren Ort für ein gutes Leben zu erhalten. 

Gibt es ein Zitat über die Zukunft, das dir besonders gefällt? Warum?

Ich habe kein richtiges Zitat, aber eine Aussage von Jens, der oft sagt “Innovationen entstehen da, wo Menschen für ein Thema brennen.” Wenn ich an Zukunft denke, ist es für mich genau das, nämlich dass da Menschen mit ihrem Herzen und ihrer Begeisterung dabei sind. Zukunft hängt für mich damit zusammen, dass etwas Schönes entsteht oder zumindest Potenzial für Gutes da ist. Jede*r von uns kann Teil davon sein und mit Innovationen die Zukunft gestalten.

Besonders schön finde ich an dieser Betrachtungsweise, dass du Zukunft als einen Prozess sieht, also als etwas, das entsteht und das gemeinsam gestaltet wird.

Genau das ist für mich ein wichtiger Punkt. Zukünfte sind für mich kein statischer Punkt, sondern immer die Idee, dass jede Handlung etwas Gutes bewirkt. Ganz konkret bin ich vorhin aus dem Bus gestiegen und da lag eine umgewehte Mülltonne. An der hätte ich vorbeigehen können. Aber ich habe mir gedacht, dass es für die nächste Personen einen Unterschied macht, ob die Tonne noch daliegt oder nicht. Also habe ich mir kurz Zeit genommen und sie wieder hingestellt. Damit habe ich die Zukunft ein kleines Stück mitgestaltet, denn sie ist immer im Fluss und entsteht aus unseren Handlungen. 

Vielen Dank für das interessante Interview, Sarah!

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